Rezension
von Helga Helnwein, Chefredakteurin der Literaturzeitschrift "Literarische Kostproben"
des Vereins der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen, Wien
Diese Mal hat der Herr I., der Büroangestellte, einen
Doppelgänger, sein Ebenbild. Er ist winzig klein, doch anhänglich und taucht
überall auf und folgt ihm überall hin. Auch hier dominiert das Groteske, das Surreale und das wirklich
außerordentliche Ungewöhnliche. Es ist eine unwirkliche Reise, in der starke Impulse
gesetzte werden. Die Autorin dachte sich, der Tod ist nicht genug. Die beiden
gleichen und doch so unterschiedlichen Personen, sie wandeln schlitternd von
Kapitel zu Kapitel. Es ist eine Reise zu den menschlichen Abgründen, aber auch
eine Begegnung mit dem Physiker Julius und Henry, dem sanften Irren. Ein Buch, dessen Ideenreichtum den Leser behaucht und befeuert
und immer wieder fesselt.
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Rezension In
Angelika Paulys neuestem Fantasy-Buch treffen wir einen alten Bekannten wieder:
Herrn I., einen kleinen Büroangestellten, dem bisher schon die merkwürdigsten,
unerklärlichsten Dinge passiert sind. Dabei würde er so gerne ein normales
Leben führen, mit der Aktentasche ins Büro gehen, sich vorher seine
Mohnschnecken kaufen, und abends zu seiner Frau heimkehren. Aber dann geschieht
wieder etwas Seltsames, auf einmal hat er einen Doppelgänger, einen winzig
kleinen, nicht größer als ein Kaffeelöffel. Dieser Zwerg, genau so gekleidet
wie Herr I., mit derselben Aktentasche in der Hand, steht plötzlich neben ihm
und begleitet ihn ins Büro. Weicht auch nicht mehr von seiner Seite, geht mit in
die Kantine und mit ihm nach Hause. Herr I. wird zum Gespött der Kollegen und
der Passanten, die das ungleiche Paar auf der Straße sehen. Nur seine Frau
wundert sich nicht besonders, wahrscheinlich hat sie an der Seite ihres
Ehegatten schon zu viel Seltsames erlebt. Und so wohnt der kleine Herr I. jetzt
auch bei ihnen, schläft in einem Puppenbett, im selben winzigen Pyjama, wie ihn
Herr I. trägt. Alle Versuche, den kleinen Doppelgänger loszuwerden, scheitern. Der
Chef wirft beide hochkantig hinaus, weil sie den Bürobetrieb stören. Also
suchen sie neue Wege, landen beim Zirkus, wo sie für ein paar Tage eine
Attraktion werden, aber dann erlischt das Interesse des Publikums wieder. Der
Winzling wird für Herrn I. immer lästiger, er bestimmt, wohin sie gehen, was
sie essen, gibt einfach keine Ruhe. Herr I. unternimmt immer wieder neue
Versuche, ihn verschwinden zu lassen, aber er lässt sich in keine Schublade
sperren, lässt sich nicht im Kaffe ertränken oder vergiften. Alles wird immer
hoffnungsloser und zugleich absurder. Ein Taxifahrer will ihnen helfen und
bringt sie in eine seltsame Stadt, wo die skurrilsten Menschen leben. Manche
bestehen nur aus einer Hälfte, dann gibt es Dünne, die mit Schläuchen ernährt
werden müssen, oder die Sauger, die besonders gefürchtet sind. Die Sauger
saugen an
an dir
an mir
holen die Lebendigkeit heraus
die Seele
das Schöpferische
das Blut
die Sauger sind leer
so leer
innen und außen Sie
verlassen diese Stadt wieder, obwohl es dort ein Doppelgängerhotel gibt und
Doppelgänger zum Alltag gehören und kehren in ihre normale Welt zurück. Aber
auch dort ist nichts mehr normal, ein Abenteuer löst das andere ab. So landen
sie einmal in der Wüste, dann lassen sie sich versilbern, verschwinden im Nebel
und treffen letztendlich die alten Bekannten
aus den früheren Büchern wieder: Henry, den sanften Irren und Julius, den
Physiker. Damit erreicht die Irrealität ihren Höhepunkt, bevor Herr I. von
seinem Doppelgänger endlich erlöst wird. Aber wie, wird hier nicht verraten
Christine
Michelfeit
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